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Freigeist

Enzyklopädie Personen

Aus dem KapitelFreigeistigkeit und Werte” im Buch DgBdW.

Dies ist ein kleiner Exkurs über Freigeister, welche naturgemäß traditionelle Werte diskutieren, diese in Bewegung bringen und einen großen Einfluss auf zukünftige Wertvorstellungen haben werden. Wir wollen hier folgenden Fragen nachgehen: Was ist ein Freigeist, und wer sind beispielsweise amtierende Freigeister?

Der Begriff „Freigeist“ ist wieder hip. Immerhin symbolisiert und provoziert er seit dem 18. Jahrhundert eine aufgeklärte Denkweise, die gerade in Zeiten des Wandels sinnvoll ist. So kursiert er mit verschiedenen Bedeutungen und bezeichnet insbesondere Personen, aber auch Bewegungen, die mit einer entsprechenden Geisteshaltung ausgestattet sind.

Da eine freigeistige Haltung im Sinne von Wertvorstellungen besonders anregend ist, wollen wir den Begriff definieren und seine zahlreichen Facetten beleuchten.

Synonyme

Positiv, konstruktiv: Querdenker, Aufgeklärter, Freidenker; neutral: Glaubensloser, Konfessionsloser, Religionsloser

Negativ (teils veraltet): Gottloser, Ungläubiger, Heide, Atheist, Ketzer, Sektierer

Englisch: Latitudinarian, freethinker

Wortherkunft

Der Begriff ist zusammengesetzt aus „frei“ = „unabhängig, unbeschränkt“ und „geist“ = früher: „fromm“ (aus „spiritus“ = „Hauch, Atem, Seele“); heute: „stofflos, immateriell, schöpferisch“; wurde früher von institutionellen Religionen abwertend benutzt, um Menschen zu bezeichnen bzw. abzugrenzen, die frei von Glauben und Spiritualität sind.

Zitat dwds.de zu „Geist“: „Erst im 18. Jh. wird Geist unter dem Einfluss von frz. „esprit“ zum Ausdruck einer besonderen Fähigkeit, der Gewandtheit, Leichtigkeit des Denkens, des Scharfsinns, des Einfallsreichtums und bezeichnet schließlich das denkende, erkennende Bewusstsein des Menschen.“
Quelle: https://www.dwds.de/wb/Geist#et-1 (abgerufen am 25.07.2017)

Definitionen

Freigeist: Ein freiwillig (selbstbestimmter) geistig unabhängiger Mensch, insbesondere im Denken und auch in seiner Ausdrucksweise

Freigeistig: den eigenen Gedanken unabhängig folgend, frei im Denken (freidenkerisch)

Beschreibung

Der neuzeitlich im Positiven benutzte Begriff Freigeist beinhaltet die Intention, sich eigenständig über persönliche sowie gesellschaftspolitisch liberale Werte zu identifizieren und auszudrücken.

Freigeister wurden ab dem 16. Jahrhundert als sogenannte „Gottlose“ angeprangert, im sogenannten „Index Librorum Prohibitorum“ gelistet und geächtet. In diesem Sinne war Martin Luther ein früher Freigeist und Aufklärer, der auf nonkonformistische, „protestantische“ (selbstbewusste) Weise einen Teil der damaligen unterjochten Christen von den Dogmen und Zwängen der katholischen Kirche quasi „befreite“.

Seit dieser Zeit hat die „Freigeistigkeit“ – insbesondere durch Philosophen, Schriftsteller, Wissenschaftler und politische Aktivisten – zahlreiche „Wertewandel“ in der abendländischen Kultur hervorgerufen.

Insbesondere durch die „Aufklärung“ (beginnend im 17. Jahrhundert) konnte das „freie Denken“ in seinen ersten Grundzügen etabliert werden. Es ging im Kern aller Diskussionen immer um „Werte“, auch wenn der Begriff meist nicht verwendet wurde.

Die bekanntesten und einflussreichsten Vertreter dieser Zeitenwenden waren auszugsweise (in chronologischer Reihenfolge nach Geburt):

  • Erasmus von Rotterdam (um 1467–1536)
  • Martin Luther (1483–1546)
  • Thomas Hobbes (1588–1679)
  • René Descartes (1596–1650)
  • Samuel Freiherr von Pufendorf (1632–1694)
  • John Locke (1632–1704)
  • Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716)
  • Christian Thomasius (1655–1728)
  • Jean-Baptiste Dubos (1670–1742)
  • Christian Wolff (1679–1754)
  • Montesquieu (1689–1755)
  • Voltaire (1694–1778)
  • Johann Christoph Gottsched (1700–1766)
  • Jean-Jacques Rousseau (1712–1778)
  • Adam Smith (1723–1790)
  • Immanuel Kant (1724–1804)
  • Johann Heinrich Lambert (1728–1777)
  • Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781)
  • Thomas Jefferson (1743–1826)
  • James Madison (1751–1836)
  • Karl Marx (1818–1883)
  • Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844–1900)
  • Rudolf Steiner (1861–1925)
  • Charles F. Haanel (1866–1949)
  • Maria Montessori (1870–1952)
  • Hans Küng (1928–2021)

Nach all diesen Aufklärungen ist es schier unmenschlich turbulent geworden – um es höflich zu formulieren. Kriege aufgrund von klassenübergreifenden Diskursen, wer denn nun die Herrschaft verdiene bzw. die nationale Führung von Menschen bestmöglich und im Sinne der „geführten“ Menschen innehaben sollte, führten zu noch mehr Krieg und diese zu weiteren ähnlichen menschenverachtenden Auseinandersetzungen.

Es ist schwer möglich, alle Freigeister dieser Epoche eindeutig zu identifizieren, die ethische Werte im Rahmen von Gestaltungsspielraum für Individuen propagierten. Allesamt waren sie „gezwungenermaßen“ Widerstandskämpfer. Sie haben wenige Schriften, meist Reden und besonders Taten hinterlassen, die vielschichtig dokumentiert sind. Es waren Tausende, die in vielen Listen aufgeführt sind. Alleine bei wikipedia.de unter dem Artikel „Liste von Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus“ sind 689 Personen (Stand: 19.01.2018) aufgeführt, und über 90 % dieser Persönlichkeiten werden auf individuellen Seiten ausführlich beschrieben.

Wir sollten diesen freigeistigen Menschen an dieser Stelle danken, dass sie dem allgemeinen Massenphänomen des bewusstlosen Konformismus getrotzt und dafür gelitten haben.

Unsere heutige Freiheit haben wir all diesen Menschen der Aufklärung und des Widerstands gegen die herrschaftliche Unterdrückung zu verdanken.

Nach dem letzten großen Weltkrieg wurde es in der sogenannten zivilisierten Welt wieder „lebendig“. Bei vielen Menschen stieg das „globale“ Bewusstsein. Bei den meisten allerdings noch nicht, denn sie sind dem Konsum verfallen. Dennoch fand ein neuer Zeitgeist seinen extrovertierten, deutlich sichtbaren Zenit im Jahr 1968. Die „erstcoolen“ Freigeister schossen wie Pilze aus dem Boden – ein neuer Frühling der Diskussionen um Werte, Moral, Ethik und Freiheit des Einzelnen.

Neben diesen freigeistigen Bewegungen in den späten 1960er Jahren ist seit den 1990er Jahren ein wiederholtes Aufblühen einer Aufklärung deutlich merkbar; nennen wir es einfach „Neo-Aufklärung“. Die Akteure sind aus den geistigen Nachkommen von Voltaire, Kant & Co entstanden und in ihrer Zahl, Freizügigkeit, aber auch in Teilen in offensichtlicher Orientierungslosigkeit gewachsen. Eines der ehrenhaftesten Ziele ist jedoch dasselbe geblieben: Selbstverwirklichung – wenn auch teils in selbstdarstellerischer und narzisstischer Art.

Nachdem Johannes Gutenberg die erste „Medienrevolution“ startete, nutzen die heutigen Freigeister die nächste Stufe der „Werteverbreitungsmaschinerie“ und „gehen nun digital viral“. Das Internet ist offensichtlich „Gutenberg 2.0“. Auch hier ist zunächst Quantität vorrangig. Die geistig werthaltige und sinnstiftende Bildung einer Essenz wird möglicherweise auch „Google“ nicht so schnell hinbekommen, obgleich man sich dort einer entsprechenden Verantwortung bewusst zu sein scheint.

Das WERTELAND ist in Teilen auch freigeistig geprägt. Allerdings ist unser Bestreben, sich mit dem Kern dessen zu beschäftigen, was uns z. B. Abraham Maslow mit seiner berühmten „Bedürfnispyramide“ einfach darzulegen wusste und damit eine gute Steilvorlage geliefert hat. Wir haben diese Ideen großzügig weiterentwickelt und die Pyramide gespiegelt doppelt aufgesetzt: von den Bedürfnissen über Motive zu Werten und in der oberen Spitze zu den persönlichen (freigeistigen) kollektiven Zielen und zur Selbstverwirklichung (Entfaltung) für alle.

Siehe auch den Artikel “Multidimensionale Wertschöpfungsmatrix” und insbesondere das Schaubild: „Vom Motiv über Werte zur Lebensaufgabe“.

Jeder einzelne Konsument von jedem freigeistigen Gedankengut sollte mit Bedacht und Sorgfalt wählen, was wirklich „wertvoll“ ist. Für ihn selbst, für seine Familie, für seine Freunde, für seine Verbündeten und natürlich – aus Gründen der Nachhaltigkeit – die gesamte Gesellschaft.

Siehe hierzu auch die Grafik „Werte-Bewusstseins-Ebenen“ im KapitelWerte-Kategorien“.

Literatur

„Also sprach Zarathustra“

Im Buch „Also sprach Zarathustra“ (4 Teile: 1883–1885) von Friedrich Nietzsche wird mit der Titelfigur „Zarathustra“ ein idealer Freigeist beschrieben. Dieser betrachtet die Welt und die Menschen aus der Perspektive eines befreiten Geistes. Nach dem Tode Gottes übernimmt er dessen Rolle. Er empfindet in zwiespältiger Weise, dass ein bewusster Geist durchaus einsam ist, da er sich stets von etablierten Gesinnungen befreit (ent-konformiert) und sich dadurch weiter zu neuen (einsamen) Höhen des Bewusstseins aufmacht. Im Kern ist Nietzsches freigeistig philosophische Geschichte eine prosaische Beschreibung von jedem realen Wertewandel (Einer muss immer vorausgehen.) sowie der unbändigen Lust auf Innovation zum Nutzen der Menschheit. Nach Nietzsche ist die „Freigeistigkeit“ ein moralisches Gebot.

Quelle: www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Also+sprach+Zarathustra

Ein Blog über Freigeistigkeit

In dem ziemlich freigeistigen Blog von Heinz Sauren können wir das Nachstehende lesen:

„Jene aber, die sich Freigeist nennen, sind jene die die Philosophie um ihrer selbst Willen betreiben, in der Form wie sie betrieben wurde, bevor sie Wissenschaft war. Freigeistige Philosophie ist das Studium und die Aufstellung ganzheitlicher, interdisziplinärer Gedankenmodelle zur Erklärung des Seins und der Dinge an sich. Freigeist zu sein ist nicht das Ergebnis einer Tätigkeit, sondern die unabänderliche Konsequenz einer Lebenseinstellung, die in sich schon so viel Konsequenz ist, das sie nicht die Konsequenz der Amoralität fürchtet. Des Freigeistes Antrieb ist nicht Lohn, sondern Freiheit.“
Heinz Sauren (August 2011)

Quelle: entnommen aus: https://freigeistmanifest.wordpress.com/

Letzte inhaltliche Bearbeitung am 28.05.2022

Letzte Bearbeitung dieser Seite am 9. November 2022

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