Auszug/Kapitel aus dem Buch „Spielend zum Ziel“ (SZZ).
„Spielen ist eine Tätigkeit, die man gar nicht ernst genug nehmen kann.“
Jacques-Yves Cousteau (Französischer Meeresforscher)
Das Spielen kennen wir meist nur aus unserer Kindheit. Es wurde uns erzählt, dass diese Phase der Freiheit dann zu Ende ist, wenn wir in die Arbeitswelt gehen. Wenn Sie das oder etwas Ähnliches noch nie gehört haben, gehören Sie in unseren Breitengraden zu einer sehr kleinen Gruppe.
Kinder haben die Gabe zu spielen und Erwachsene haben die Pflicht zu arbeiten. Manche Erwachsene vermissen das Spiel nicht. Aber die meisten suchen nach vielen Gelegenheiten, um zumindest teilweise – ab und zu – Spaß zu haben.
Der Prozess während der Jugend, der diese heranwachsenden Menschen oft in Schwierigkeiten bringt, ist die Umgewöhnung von Spiel in Arbeit. Man kann es auch „die Umgewöhnung von Leichtigkeit in Festigkeit“ nennen – oder „von Kreativität in Aktivität“ geraten.
Leider wird dieser Prozess auch von Pädagogen unterschätzt, obwohl dieser Bereich einen wesentlichen Kern ihres Fachgebietes ausmachen sollte. In vielen Gesprächen mit Lehrern und Pädagogen wurde mir gesagt, welche Defizite im System vorhanden sind und wie überfordert man sei, da sie ja nur einen Bildungsauftrag haben und nicht erzieherisch tätig seien; dies wäre Aufgabe der Eltern.
Von einigen Eltern hören wir, dass manches doch Aufgabe der Schule sei. Nicht selten entstehen Grabenkämpfe zwischen Elternhaus und Schule, die auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden. Das Kind wird zum Spielball einer verkorksten Situation und des scheinbar nicht mehr funktionierenden Erziehungs- und Bildungssystems. Demnach scheint es so, als würde man hier in unwissender oder rechthaberischer Manier den Schwarzen Peter hin und herschieben.
In einer guten Erziehung sollte immer auch der Umgang mit der „spielerischen Leichtigkeit“ vermittelt werden. Da dies aber weder von den meisten Eltern und Lehrern selbst erlernt wurde, ist dieser geistige Muskel über viele Generation verloren gegangen. Schauen wir uns das mal genauer an, denn es gibt noch Hoffnung: Die Stellschraube für eine reaktivierende und positive Veränderung ist eine leicht korrigierte Neudefinition der Wichtigkeiten von kulturellen Werten und Wissensgebieten.
Seiteninhalte
Es lebe der Sport
Oft hört man aus bestimmten Kreisen unterschwellig, dass es sich für einen intellektuellen, gebildeten Menschen nicht gehört, jeden Samstag Fußball-Bundesliga zu schauen, man habe ja schließlich Wichtigeres zu tun. Das ist jedoch affektiert oder einfach dumm. Sport ist (neben Musik) wahrscheinlich die kulturell wertvollste Sache, die wir im Fernsehen noch finden. Hier entdecken wir ehrliche Emotionen, die frei ausgelebt werden. Man kann kaum mehr positive Emotionen vor dem Bildschirm sehen, als wenn der Lieblingsverein ein wichtiges oder lang ersehntes Tor schießt. Es ist erstaunlich, dass dies derartige positive Emotionen verursacht, obwohl wir doch gar nicht „körperlich“ mitspielen. Trotzdem sind wir voll dabei. Wir spielen geistig mit, was durch intrinsisch motivierte, emotionale gedankliche Beteiligung geschieht. Nebenbei bemerkt: Wo wären denn die ganzen Zuschauer, die diese Begeisterung schlussendlich auslösen, wenn jeder mitspielen würde.
Es gibt viele bekannte Spiele, die jeder von uns schon einmal selbst gespielt oder bei einem solchen Spiel zugeschaut oder zugehört hat:
- Fußball spielen
- Tennis spielen
- Klavier spielen
- Computer spielen
- Lotto spielen
- Schach spielen
- usw.
Wie wäre es denn, wenn wir diese mutwillige Begeisterungsfähigkeit auf andere Bereiche übertragen und damit beginnen würden? Zum Beispiel:
- Firma aufbauen spielen
- Kinder erziehen spielen
- Haus bauen spielen
- Probleme lösen spielen
- Auto reparieren spielen
- Kriege verhindern spielen
- Leben spielen
Sportlicher Ehrgeiz
Mit der Wiederentdeckung des Spiels können wir Probleme leichter lösen, als durch harte Arbeit.
Natürlich ist das echte spielerische Herangehen an eine Sache auch eine Frage der Emotionen zu dem entsprechenden Thema. Manche Leute verstehen einfach wenig Spaß. Warum nur? Wahrscheinlich sind sie anders programmiert, zum Beispiel auf Pünktlichkeit, Fleiß und andere ähnliche Tugenden. Diese Merkmale sind nicht unwichtig, aber ohne Spaß bei der Sache macht uns das eigentlich zu Sklaven oder Knechte eines verschobenen Weltbildes.
Die Bestandteile eines Spiels
Ein Spiel beinhaltet im qualitativen Sinn auch der Reihe nach: Ambition + Logik + Optimierung. Am Anfang steht die Ambition, dann das Herangehen mit Logik, um am Ende eine definierte Optimierung zu erzielen. Glück (im Sinne von Freude, Enthusiasmus) ist das Endresultat aus einem zuvor gewollten optimierten Zustand.
Einfach ausgedrückt:
Wir haben ein Spiel, wenn wir ein ZIEL in Form eines „erträumten Goals “ haben, das wir erzielen möchten und uns ein Spielfeld erschaffen oder ein Vorhandenes betreten, auf dem es festgelegte Gesetzmäßigkeiten und eine Art Gegner gibt, die den Reiz an der Sache ausmachen und aufrechterhalten.
Im Grunde besteht ein Spiel also aus einem „klar abgesteckten Spielfeld“, aus „Regeln“, aus „Freiheiten“ und aus einem „Gegner“, der die Sache spannend und zeitweise unüberwindbar macht. Eine wesentliche Voraussetzung ist selbstverständlich, dass der Gegner das ganze auch als Spiel ansieht.
Natürlich haben wir vor allem in der Geschäftswelt Gegner, die uns mit anderen als spielerischen und fairen kämpferischen Mitteln entgegentreten. Aber genau darin liegt die zusätzliche Herausforderung und Chance, uns mit Kompetenz und zielgerichtetem Fleiß besonders zu profilieren.
Oft wird der „kriminell“ agierende bzw. wirkende Gegner dabei deklassiert, was der aufgeklärte Zuschauer mit Genugtuung anerkennt.
Sollten Sie Unternehmer oder eine Führungskraft sein, dann ist dies ein sehr bedeutendes Thema, denn die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern hängt sehr stark davon ab, wie Ihre Fähigkeiten ausgeprägt sind, Ihren Leuten ein Spiel zu geben.
Lasst uns also alle ein Spiel spielen, eine Herausforderung annehmen und dabei Spaß haben.
Der Zweck eines Spieles
Bei einer Olympiade gibt es sehr viele Teilnehmer, die je nach ihren speziellen Fähigkeiten, möglichst realistische Ziele anstreben. Diese heißt es aber, immer in irgendeiner Form zu gewinnen. Das kann man in 3 Hauptkategorien:
- Eine Gold-Medaille, d.h. Olympiasieger werden
- Irgendeine Medaille zu holen, d.h. auf dem Siegertreppchen zu stehen
- Oder einfach nur dabei gewesen zu sein
Egal welches Ziel jemand hatte, es hat – trotz extrem harter Arbeit – viel Spaß gemacht.
Nun zurück zum Alltag. Wie können wir also erreichen, dass unser Leben, also auch unsere Arbeit und Verpflichtungen, uns als Spiel vorkommen, das wir verantwortungsbewusst sehr ernst nehmen und dabei größtenteils Spaß haben? Die Antwort ist zwar einfach, aber die Umsetzung oft schwer: Wir müssen Ballast abwerfen und spielerisch denken lernen. Grundsätzlich können wir das, denn als Kinder ist es uns leicht gefallen, wir konnten das sogar hervorragend.
Wir müssen den konservativen „Ernst“ (Seriosität) aus der Sache rausnehmen und uns wieder an unsere kindlichen Eigenschaften erinnern, die in diesem Sinne recht positiv waren. Ich rede hier nicht von Unwissenheit, sondern von Leichtigkeit, Neugierde, Tatendrang, usw. Nehmen Sie das bitte wörtlich und lassen Sie sich einfach mal gehen.
Loslassen
Sich gehen lassen wird auch gerne als Loslassen – oder besser Seinlassen – bezeichnet. Doch was heißt das? Ich stelle oft fest, dass die meisten Menschen mit dieser Aussage zunächst sehr wenig anfangen können, obwohl es ihnen grundsätzlich schlau erscheint. Ich möchte es hier auf die Weise erklären, wie es die meisten meiner Coachees am besten verstanden haben. Schauen wir uns zunächst einmal an, was es heißt, etwas festzuhalten. Warum und was halten wir fest? Festhalten kann man verschiedene Dinge; hier nur einige Beispiele:
- Sich selbst, in der Straßenbahn, damit man nicht umfällt.
- Ein Lenkrad beim Autofahren.
- Einen Tennisball, kurz vor dem Aufschlag zum Gegner.
- Klaviertasten, um den vorher angeschlagenen Ton länger anzuhalten.
- Einen Gedanken, den man nicht verlieren will.
- Einen Witz, den man hörte und gerne weitererzählen möchte.
- Eine künstliche Charaktereigenschaft, da wir sie uns mühsam als Schutz oder Überlebensmechanismus angeeignet haben.
- Eine fixe Idee, aus der Kategorie Selbstabwertung.
- Einen Mitarbeiter, der eigentlich gehen will.
- Einen Job, der unseren Lebensstandard sichert, obwohl er uns keinen Spaß macht.
Es ist klüger, das, was man unter Kontrolle haben möchte, gänzlich loszulassen, damit es seinem natürlichen Fluss folgen kann. Erst dann haben wir die Möglichkeit, diesen natürlichen Fluss nutzbar zu machen.
Selbst beim beharrlichen oder krampfhaften Festhalten einzelner Elemente würden wir das Gesamtwerk festhalten und einen harmonischen Fluss verhindern. Loslassen bedeutet somit „das Spiel laufen zu lassen“ und durch Beobachtung und Intuition lieber die übergeordneten Steuermechanismen zu koordinieren.
Beispiel:
Ein Trapezkünstler im Zirkus muss sich zunächst an einem Trapez festhalten, um seinen Körper dann mit viel Schwung völlig frei durch die Luft fliegen zu lassen, um dann ein gegenüberliegendes Trapez zu ergreifen. Das Ganze ist meist verbunden mit artistischen Darbietungen während der Flugphase. Er erhält seinen wohlverdienten Applaus nur, wenn er auf der anderen Seite sicher ankommt. Damit das Kunststück gelingt, muss er das erste Trapez loslassen. Interessant ist, dass erst dann das eigentliche Meisterwerk beginnt, wenn er den sicheren Hafen, also das erste Trapez, völlig losgelassen hat. Er wird nur durch dieses scheinbare Fallenlassen auf der anderen Seite ankommen können. Zu Beginn seiner Laufbahn ist er sicher sehr oft herunter gefallen. Aber irgendwann hat er so das Fliegen gelernt und später dann auch das „Zupacken“. Dieser Prozess des „Erlernens eines Kunststückes“ oder „Erlangen einer Fähigkeit“ ist übertragbar auf sehr viele Lebensbereiche. Wir wissen nun, dass wir, wie der Trapezkünstler, nur wachsen und lernen können, wenn wir loslassen – erst dann können wir richtig zupacken und erhalten den dadurch verdienten Lohn.
In einem Spiel – und zwar in jedem Spiel – gehört folgender Mechanismus immer dazu:
Wir müssen es beherrschen, Dinge ausschließlich zum richtigen Zeitpunkt festzuhalten, um sie dann im richtigen Moment loszulassen, damit das Spiel fließen kann. Weiterhin müssen wir Dinge im richtigen Moment erneut aufgreifen bzw. festhalten, um sie dann wieder abzugeben oder loszulassen.
Wer dieses Steuern beherrscht, ohne dabei den natürlichen Fluss zu beeinträchtigen, der ist ein echter professioneller Spieler. Die Sache wird gelingen und meist für Außenstehende leicht aussehen.
Das Spiel der Führungskraft
Als Führungskraft haben Sie die Aufgabe, auch in dieser Sache und eigentlich ganz besonders in dieser Sache für Ihre Mitarbeiter ein Vorbild und Vordenker zu sein. Nennen wir einen Vorgesetzten, Manager oder Erzieher, doch einfach mal „Vor-Spieler“, der sich durch das Vorgeben und Vorleben eines Spieles als ernst genommener Spielführer auszeichnet. Seien Sie also ein Spielführer, Team-Chef oder Spielmacher, oder wie immer Sie sich in obigem Sinne bezeichnen würden! Egal wie groß Ihre Mannschaft ist.
Da die Problemzone Mitarbeiter (Mitspieler, Team) sehr komplex ist, sei diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet.
Letzte Bearbeitung dieser Seite am 17. März 2022